Hier geht’s zur Folge bei Spotify: Dr. Irène Kilubi – Vielfaltsdimension „Alter“ vom Podcast „Selbstverständlich Vielfältig – Vielfalt an der Hochschule leben“
Claudia Huber:
„„Selbstverständlich vielfältig – Vielfalt an der Hochschule leben“: Der Podcast des Academic Career Centers der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, kurz DHBW. An der DHBW wollen wir Vielfalt nicht nur anerkennen, sondern aktiv leben. Um uns darin stetig zu verbessern, wollen wir dazulernen. Dazu tauschen wir uns mit Expertinnen und Experten zu den sieben Diversity-Kerndimensionen der Charta der Vielfalt aus.“
Claudia Huber:
„Heute sprechen wir mit Dr. Irène Kilubi zur Vielfaltdimension Alter. Wir, das sind Paulina Fresow…“
Paulina Fresow:
„Hallo!“
Claudia Huber:
„… und Claudia Huber vom Academic Career Center. In vielen Unternehmen arbeiten heutzutage bis zu fünf Generationen zusammen. Von den Ältesten bis hin zur Generation Z. Dabei treten wir immer wieder in die Falle, Menschen aufgrund ihres Alters Fähigkeiten ab- oder zuzusprechen.
Für Firmen wird das Thema Alter jedoch immer wichtiger, vor allem wegen des demografischen Wandels und der schnellen technischen Entwicklungszyklen. Die Herausforderung ist, das Wissen der Mitarbeitenden zu sichern, weiterzugeben und sowohl jungen als auch älteren Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, sich selbst weiterzuentwickeln. Unternehmen müssen also die Vielfalt der Generationen nutzen und dafür sorgen, sowohl für junge Mitarbeitende attraktiv zu sein als auch ihren älteren Angestellten Entwicklungsmöglichkeiten bis hin zur Rente zu ermöglichen.
Wir freuen uns außerordentlich heute im Gespräch mit Frau Dr. Irène Kilubi zu sein. Für diejenigen, die Sie jetzt noch nicht kennen, stellen wir jetzt wie immer ein paar Schlüsselfakten vor. Frau Kilubi, Sie sind eine erfolgreiche Unternehmerin, Beraterin und gefragte Rednerin, die sich auf Themen wie Community Building, Corporate Influencer Strategie und die generationsübergreifende Zusammenarbeit spezialisiert hat.
Als promovierte Wirtschaftsingenieurin haben Sie in namhaften Unternehmen wie BMW, Deloitte und Siemens gearbeitet, bevor Sie sich Ihrer persönlichen Leidenschaft widmeten, nämlich dem Aufbau von Brücken zwischen verschiedenen Generationen. Ein zentrales Projekt von Ihnen ist die Initiative Joint Generations, die den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt fördert.
Ziel ist es dabei, durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen, das Mitarbeiter in Unternehmen und der Gesellschaft zu stärken. Neben Ihrer unternehmerischen Tätigkeit sind Sie auch noch Hochschuldozentin und Expertin für den European Innovation Council Accelerator und Sie wurden mehrfach für Ihre Arbeit ausgezeichnet, darunter mit dem Xing „New Work“-Award und dem „Impact of Diversity“-Award. Ihr Fokus liegt darauf, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Altersgruppen zu verbessern und Unternehmen sowie Gesellschaften dabei zu unterstützen, von dieser Vielfalt zu profitieren. Liebe Frau Kilubi, wir freuen uns sehr, Sie heute bei uns in unserem Podcast begrüßen zu dürfen. Schön, dass Sie heute bei uns sind.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ich freue mich auch sehr.“
Claudia Huber:
„Habe ich Sie jetzt richtig vorgestellt oder fehlt da was ganz Wichtiges?“
Dr. Irène Kilubi:
„Vielleicht, dass ich noch in verschiedenen Beiräten sitze. Aber ja, ansonsten ist alles gut!“
Claudia Huber:
„Wunderbar. Dann starten wir doch mit einer Aufwärmfrage und zwar: Mögen Sie lieber Aktivurlaub oder lieber ein Wellnesswochenende?“
Dr. Irène Kilubi:
„Die Mischung macht's.“
Claudia Huber:
„Die Mischung macht's, das zieht sich so ein bisschen bei Ihnen auch durch, ne? Also bei dem Alter ist es ja auch das Thema die Mischung macht's und auch das Thema Aktivurlaub oder Wellnesshotel, da ist es die Mischung. Gut, dann steigen wir mal in den Inhalt ein. Also sowohl in den sozialen Medien als auch in der Presse wird sehr viel über unterschiedliche Generationen gesprochen. Also an Vorurteilen mangelts da dabei natürlich nicht. So zum Beispiel „Boomer können keine Digitalisierung“ und „die Gen Z ist faul“. Die Studien zeigen, dass diese Einteilung in die Generation wenig sinnvoll ist. Wie erleben Sie die Diskussion?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, also ich finde das sehr widersprüchlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Alter die einzige Diversitätsdimension ist, die wir alle gemeinsam haben. Dass da medial etwas aufgebauscht wird und wir uns eigentlich eher auf die Gemeinsamkeiten besinnen sollten. Ich sage auch immer umgekehrt, wenn die ältere Generation über die Jungen schimpft, dann schimpft sie eigentlich über die eigenen Kinder und Enkelkinder und andersrum schimpft die Jungen über die eigenen Eltern und Großeltern. Aber es funktioniert nur gemeinsam und das spaltet uns eher, als dass es uns vereint.“
Claudia Huber:
„Das finde ich einen sehr spannenden Ansatz und ich erlebe es auch so. Sie sind jetzt aber auch selbst Dozentin und wir sind ja ein Hochschulpodcast. Sind denn Ihre Studierenden unmotiviert? Weil das werden ja wahrscheinlich viele Gen Z-Personen sein.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, also ich habe auch ältere, weil ich auch in den MBA-Studiengängen unterrichte, auch überwiegend Master-Studiengänge. Ich habe ja bei ihnen auch, ich glaube, zwei Semester lang doziert. Da hatte ich eher jüngere gehabt, aber ich sehe das überhaupt nicht so. Also das kann man auch nicht pauschalisieren. Der Unterschied, den man natürlich merkt, wenn ich das jetzt mit mir selber auch vergleiche, die Lernmethoden sind anders. Die haben virtuelle Klassenräume, die haben solche tollen Tools wie Moodle, die können viel mehr mit neuen Technologien arbeiten. Die Arbeitsweise ist natürlich eine ganz andere geworden und Studiengänge entwickeln sich ja auch weiter. Aber pauschal zu sagen, dass sie jetzt faul sind, kann ich nicht bestätigen, sondern eher, dass die meisten was bewegen wollen, Karriere machen wollen oder auch einen gewissen Impact hinterlassen wollen. Also das beobachte ich ganz stark. Aber natürlich solche Dinge, dass weniger gelesen wird, das merke ich natürlich auch. Dass mehr auf digitale Ressourcen zugegriffen wird. Das haptische Buch in die Hand zu nehmen, das ist jetzt nicht mehr so die Norm. Aber das finde ich auch gar nicht schlimm, weil das ist einfach unsere technologische Entwicklung. So geht es einfach zukünftig weiter und das müssen wir letzten Endes auch adaptieren.“
Claudia Huber:
„Ich find, das, was Sie sagen, dass die junge Generation eigentlich was verändern will, das wiederholt sich eigentlich so ziemlich in jeder Generation. Also irgendwie die 68er, die Alt-68er, bei denen war das ja genauso. Und jetzt schimpfen genau diese Leute auf die jungen Leute, die was verändern wollen. Irgendwie sehr paradox.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja!“
Claudia Huber:
„Ist Altersdiskriminierung sowohl gegenüber jungen als auch gegenüber älteren Menschen an Hochschulen überhaupt ein Thema?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, das kann in beide Richtungen passieren. Also das kommt drauf an, ob man sich jetzt auch die Lehreinheiten anguckt oder Forschungsbereiche anguckt, also wenn ich jetzt mit den Älteren anfange, es ist einfach de facto so, dass Ältere von bestimmten Weiterbildungsmaßnahmen ausgeschlossen sind ab einem gewissen Alter. Man merkt ja auch beispielsweise, wenn man eine Professur anstreben möchte, bis zum 52. Lebensjahr kann man noch verbeamtet werden, danach ist es nicht mehr möglich. Und man sieht einfach weniger ältere Leute, 50+, die in Hörsälen sitzen, also wenn dann als Gastzuhörer*innen, aber aktiv studieren, da gibt es irgendwie kein Verbot, aber irgendwie so ein ungeschriebenes Gesetz, das man irgendwie eine Grenze erreicht hat ab einem gewissen Alter. Ja, natürlich auch die Jüngeren. Das erlebe ich auch häufiger, dass sie auf mich zugehen und sagen, ja, also es gibt schon gewisse Professor*innen, die Vorurteile uns gegenüber haben. Also wirklich auch sagen, die junge Generation ist faul, nicht mehr das, was es früher mal war und die wollen alles irgendwie auf dem Silbertablett serviert haben, wir waren noch viel eigenständiger und viel selbstständiger in unserem Studium, die wollen alles parat gestellt haben, möglichst wenig lernen, möglichst wenig tun. Und da merkt man ja schon, dass es auch gegen die Jüngeren gerichtet ist. Also es kann beide Richtungen sein, dass man irgendwie anders behandelt wird oder im schlimmsten Fall auch ausgegrenzt wird.“
Claudia Huber:
„Ich stelle mir gerade die Frage, es ist ja schon fast schwierig, Ende 30 ein neues Studium anzufangen. Was macht es denn so schwer, ein Studium in diesem Alter anzufangen, geschweige denn vielleicht sogar Mitte 40 und nicht erst, wenn man dann doch in Rente ist und sagt, ich hab noch Lust, irgendwas zu lernen.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, das ist gerade die Phase, die am schwierigsten ist, weil man mitten in der Familienplanung steckt oder bereits Kinder hat, mitten im Berufsleben, dann eventuell auch noch vielleicht Eltern zu pflegen hat. Man verdient auch schon Geld und muss gucken, wie man seinen beruflichen Alltag, Familienalltag irgendwie unterbekommt. Als junger Mensch, wenn man vielleicht frisch Abitur gemacht hat, hat man diese ganzen Verpflichtungen gar nicht und man ist auch nicht so zeitlich eingebunden. Und das erfordert aber natürlich auch ein hohes Maß an Eigenmotivation, Disziplin und Organisationstalent, wenn man gerade, sage ich jetzt mal zwischen 35 und 50 studieren möchte. Das ist halt eben das Problematische. Man ist in einer ganz anderen Lebensphase, wo man nicht einfach unabhängig ist und wirklich der Hauptfokus das Studium sein darf und kann.“
Claudia Huber:
„Würden dann andere Studienmodelle irgendwas ändern können? Also glauben Sie, dass das eine Möglichkeit wäre, auch wieder mehr Diversität reinzubekommen?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, auf jeden Fall. Also ich finde, die ganzen Arbeitsmodelle, die wir in Unternehmen implementieren, die kann man auch sehr schön auf das universitäre Umfeld übertragen: Also Remote Arbeiten oder hybrides Arbeiten. Es gibt auch viele innovative Lernansätze, Blended Learning Solutions, virtuelles Klassenzimmer. Das man nicht zwangsläufig physisch vor Ort sein muss, um sein Studium absolvieren zu können. Dass man das von überall aus machen kann, dass man auch eine gewisse zeitliche Flexibilität hat, freie Zeiteinteilung hat, E-Learning-Modelle anbietet. Und das haben sie auch so schön gesagt: Das betrifft ja auch Diversität in einer gewissen Form. Diversität in Richtung Bedürfnis- und Erwartungshaltung von Menschen in verschiedenen Altersgruppen und Menschen in verschiedenen Lebensphasen, die da akkumuliert werden und das ist auf jeden Fall machbar.
Das hat ja auch die Pandemie gezeigt. Da gab es ja Studierende, die haben angefangen mit dem Studium und haben noch nie einen Hörsaal physisch gesehen, geschweige denn ihre eigenen Kommilitonen. Und das hat ja auch wunderbar funktioniert. Und man kann ja auch Präsenzzeiten am Wochenende anbieten, was ja auch sehr attraktiv sein kann für manche andere, die berufstätig sind oder Familie haben. Also die Möglichkeiten sind da sehr, sehr vielfältig und man kann ja auch verschiedene Bausteine zusammensetzen.“
Claudia Huber:
„Das hört sich so bisschen nach diesem Konzept des lebenslangen Lernens an und auch diese Skills, die eigentlich zukünftig noch mehr gefordert werden, dass wir gar nicht drum rumkommen, unser ganzes Leben uns weiterzubilden.“
Dr. Irène Kilubi:
„Nein, absolut, das sehe ich auch so. Der Drang nach lebenslangen Lernen, der vollstreckt sich ja auch über Jahre hinweg. Das heißt ja nicht, dass ich dann mein erstes Studium absolviert habe, eventuell mit 30 fertig bin, spätestens. Ja, das war ja immer so der Irrglaube. Wobei unsere Elterngeneration, die hat ja auch mal gerne länger studiert, teilweise. Aber es gibt ja auch viele Menschen, die sagen, ich möchte mit 50+ noch durchstarten. Ich möchte noch mit 60 noch ein Studium absolvieren. Und das sollten auch universitäre Einrichtungen berücksichtigen, dass einfach der Wunsch, der Wille und der Drang einfach auch da ist. Und sich auch dementsprechend präsentieren, sodass jemand der 50+, 60+ ist, den Eindruck hat, ja ich bin hier erwünscht, ich kann mich auch bewerbe, ich kann auch einen Studiengang hier absolvieren und ich bin nicht eine Ausnahme. Und ich glaube da einfach das Bewusstsein schaffen und auch Angebote und auch die Kommunikation dahingehend ausrichten, dass man sagt, es ist uns eigentlich egal, wie alt oder jung eine Person ist, wenn ihr noch Lust habt euch weiterzubilden, vielleicht auch noch mal einen neuen Studiengang anzufangen. Das passiert ja auch sehr, sehr vielen Leuten. Die haben irgendwann mal was studiert und nach 10, 20 Jahren merken sie: Oh, ich habe jetzt vielleicht Interesse an einem anderen Fachgebiet und ich möchte mich dahingehend nochmal neu aufstellen. Dass man den Leuten auch die Möglichkeit bietet und auch aufzeigt, welche Möglichkeiten es gibt für Menschen, die schon Mitten im Leben stehen, wie man so schön sagt.“
Claudia Huber:
„Welche Maßnahmen können wir eigentlich ergreifen, so von Hochschulsseite, um Altersdiskriminierung zu reduzieren? Also sowohl im Thema Beschäftigtenverhältnis als auch auf dem Weg zur Professur?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, es fängt schon mal an, wenn wir jetzt auf das Thema Beschäftigtenverhältnisse eingehen, per se altersdivers einzustellen. Dass man sagt, dass das Alter eigentlich keine Rolle spielt. Es ist ja tendenziell auch so, dass Beispiel im Forschungsumfeld eher junge Leute diskriminiert werden, weil man sagt, die sind zu jung, noch zu unerfahren, die haben noch zu wenig publiziert und zu wenig Drittmittelgelder eingeworben. Und dass man da auch schon… - also ich mein, das machen die Hochschulen, finde ich eigentlich schon ziemlich gut. Da kann sich die Wirtschaftswelt eigentlich eine Scheibe von abschneiden – dass da auch steht, zum Beispiel in den Stellenbeschreibungen: Bewerbungen von Frauen oder Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung sind ausdrücklich erwünscht. Und da könnte man auch die Dimension Alter ruhig mit einbeziehen. Warum nicht? Dann Weiterbildungsumfeld: dass man natürlich auch explizit anspricht, dass auch hier das Alter unerheblich ist, wenn man sich für bestimmte Studiengänge bewerben möchte. Das ist eher im Gegenteil auch nochmal sehr, sehr erwünscht ist. Dass man vielleicht solche Rahmenprogramme entwickelt, also für Senior*innen, damit sie auch so einen geschützten Rahmen haben. Auch vielleicht so Infoveranstaltungen explizit für die ältere Zielgruppe, damit sie sie einfach willkommen geheißen fühlen, damit sie auch schauen, welche Möglichkeiten sie haben. Weil auch hier wieder, selbst wenn man irgendwann mal sagt, ja ihr seid erwünscht, man hat dann trotzdem irgendwie die Bedenken. Dass man so Angebote hat, wo man die Leute auch so ein bisschen an die Hand nimmt, die auch ein bisschen begleitet. Wir plädieren ja auch sehr stark für Reverse Mentoring beispielsweise, dass man Tandems zwischen Jung und Alt bildet während des Studiums, die sich gegenseitig unterstützen, gegenseitig befruchten. Auch solche sogenannten Lern-Circles, wo Know-How und Wissenstransfer vermittelt wird. Weil es ist auch für junge Leute immer sehr, spannend zu schauen, gerade wenn da jemand im seniorigen Semester mit drin ist, dass man sagt, hey, was ist denn deine Erfahrung im Berufsleben beispielsweise? Oder wie lernst du eigentlich? Wie kommst du denn eigentlich zurecht, auch dieses Thema Work-Life-Balance auszubalancieren? Ich glaube, da gibt es ganz, ganz viele Möglichkeiten, wo man wirklich Jung und Alt zusammenbringen kann und eine positive Lernkultur fördern kann, von denen alle Parteien auch profitieren können und bereichert sein können.“
Claudia Huber:
„Gibt es da ganz spezielle Tools oder Methoden, die man relativ schnell implementieren könnte in der eigenen Didaktik oder im eigenen Umfeld jetzt?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, also es gibt keinen Blueprint, sag ich jetzt mal. Es gibt kein „was muss man jetzt machen und das muss man jetzt letzten Endes leben“. Beispielsweise, wenn wir jetzt sagen, wir möchten die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt, im Lernumfeld verbessern, dann eignen sich natürlich so Mentoringmodelle, Job-Tandems, Job-Sharing-Methoden. Dann, wenn ich sage, wir möchten jetzt ein Projekt ins Leben rufen, wo wir einfach die verschiedene Perspektiven und Erfahrungsschätze mit einbringen möchten, dann bietet sich zum Beispiel so eine Methode wie Working-out-loud an. Sowieso finde ich sämtliche Methoden gut im Innovationsbereich, Design Thinking Ansätze, Kreativitätstechniken, die man anwendet: Das Positive dran ist immer, man hat so ein gewisses Framework, an den sich alle richten. Egal ob ich 30, 40, 50, 60 bin. Das ist das eine Gute, weil der Fokus ganz stark auf der Zielsetzung ist. Weil die halt noch sehr viel Brainstorming-Charakter haben und ich sage mal: brainstormen kann irgendwie jeder. Egal welches Alter. Da ist nicht Spezialwissen, Branchenwissen gefragt, einfach nur Ideen sprudeln lassen und wirken lassen.“
Claudia Huber:
„Sie haben ja über das Thema Passion gesprochen und ich habe auch Ihr Buch gelesen und da stand drin und das fand ich sehr eindrücklich, dass Unternehmen ihre Mitarbeitenden teilweise ab einem gewissen Alter automatisch aufs Abstellgleis stellen und darüber natürlich dann die Motivation sinkt. Wenn Sie jetzt auf die Hochschullandschaft gucken, sehen Sie das dort auch oder hat es da nicht so eine große Relevanz?“
Dr. Irène Kilubi:
„Also ich würde sagen im Beschäftigtenverhältnis würde ich eher sagen weniger. Das ist ja tendenziell auch so, dass man gerade im Forschungsumfeld eher geschätzt wird, wenn man älter ist, gewisse Reife mitbringt, gewissen Erfahrungsschatz mitbringt. Und wir sehen das im Prinzip auch im öffentlichen Sektor. Dass Leute auch meistens bis zur Rente verbleiben.“
Claudia Huber:
„Ich möchte nochmal zurück zum Thema Hochschule direkt kommen. Bei der akademischen Selbstverwaltung. Ich höre immer wieder gerade von jüngeren Kollegen und Kolleginnen, dass sie in Gremien oft übergangen, nicht ernst genommen werden. Wie können wir es vielleicht hinbekommen, eine Sensibilisierung auf solche Stereotype zu bekommen? Also auch im professoralen Bereich, dass wir auch Professoren und Professorinnen für ihre eigene Altersdiskriminierung sensibel machen.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Es kommt mir ein bisschen bekannt vor, wie in der Politik. Aber ich sage mal, Hochschulverwaltung ist auch ein bisschen Politik. Das erlebe ich sehr, sehr häufig, dass da junge Leute einfach nicht ernst genommen werden. In dem Buch beschreibt ja auch Julia Bross, mittlerweile Landrätin, damals noch Stadträtin, auch ganz eindrucksvoll, dass sie auch in sämtlichen Gremien übergangen wird und nicht ernstgenommen wird. Das ist auch das Thema Adultismus, wovon wir hier sprechen. Man geht immer davon aus, dass die älteren Leute diskriminiert werden. Aber das betrifft gerade im Hochschulwesen, die jungen Leute ganz, ganz massiv. Wenn Sie wieder nach konkreter Maßnahme fragen, das sprech ich auch in dem Buch an: Das ist das sogenannte Generationentraining mit diesen Wertesystemen. Das ist sehr, sehr wertvoll. Dass man gemeinsam ausarbeitet: mit Professor*innen und jungen Kolleg*innen – das dauert nicht lange, da braucht man vielleicht eine Stunde dafür – sich einfach mal zusammensetzt und gemeinsam aufschreibt, welche Werte sind uns eigentlich wichtig. Und zu schauen, gibt es Unterschiede, gibt es Gemeinsamkeiten. In den meisten Fällen stellt man fest, dass die Werte sich gar nicht mal so stark unterscheiden, sondern die Wertekonstrukte.
Was meine ich damit? Wir sehen, ein Wert unterschiedlich erfüllt, was total legitim ist. Deswegen gibt es auch diese Generationen-Kategorien. Wobei ich lieber den Ausdruck Altersgruppen viel bedeutender finde – auch hier wieder Empathie zu verstehen, wo kommt die jeweilige Generation her? In beide Richtungen. Dass man einfach unterschiedlich aufgewachsen ist, unterschiedliche Technologienutzung hatte, unterschiedliche Arten und Weisen wie man Schul- und Hochschulbildung genossen hat. Und was Menschen ganz, ganz stark prägt, sind natürlich auch die politischen, wirtschaftlichen, sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen man groß geworden ist. Wenn wir zum Beispiel einen Wert nehmen: Flexibilität. Ein Mensch der 20 ist, wird darunter erstens was ganz anderes verstehen, zweitens wird er seinen Wert Flexibilität anders erfüllt sehen, als jemand der 40 ist. Aus den gegebenen Gründen, weil diese Faktoren, die ich eben angesprochen habe, zusammengenommen die bilden für die jeweiligen Altersgruppen eine gewisse Identität und das wiederum spiegelt sich im Denken, Fühlen, Handeln, Wollen im Sozialen als auch im Arbeitsumfeld. Und das muss man einfach respektieren und berücksichtigen. Und da hilft einfach, sich die Karten offen zu legen.
Natürlich kann man immer in den Dialog treten, aber ich finde immer viel, viel hilfreicher ist, wenn man wirklich solche Übungen macht, Workshops macht, vielleicht auch externe Hilfe zu raten nimmt. Und wirklich als Fundament damit anfängt, Sie habens ja angesprochen, überhaupt erst Stereotype und Altersbilder auszuräumen und da erstmal anzusetzen: was sind meine Vorurteile? Und dann miteinander statt übereinander zu reden. Und wenn sie sich einfach mal öffnen können, weil in so einem Gremium kann sich ja keiner öffnen. Es traut sich auch keiner zu einem Professor hinzugehen: „hey ich wurde benachteiligt oder ausgegrenzt“ – das führt ja zu nichts. Aber wenn man wirklich so einen Rahmen schafft, wo psychologische Sicherheit vorhanden ist, dass man sich einfach öffnen kann, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen und feststellt, hey, wir haben doch die gemeinsamen Werte, aber der Weg dorthin oder wie wir den Wert erfüllt sehen, ist unterschiedlich, weil wir einfach unterschiedliche Kontexte haben. Und das ist das Entscheidende.“
Claudia Huber:
„Was ich immer wieder spannend finde, ist, dass die Annahme so überdauernd ist, dass man mit dem Alter automatisch auch mehr Erfahrung sammelt. Das weiß man aus der psychologischen Forschung, auch aus der psychologischen Arbeitsforschung, dass dem definitiv nicht so ist, dass Alter nicht automatisch mit Erfahrung einhergeht, sondern man muss auch etwas tun, um Erfahrung zu sammeln.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ich finde das auch spannend, was sie da gerade sagen, da sind mir direkt zwei Dinge eingefallen. Einmal, wenn ich 20 Jahre das Gleiche mache, weiß ich nicht, ob ich da so viel mehr Erfahrung habe. Und zweitens, das habe ich sogar von der Wissenschaftlerin gelernt. Sie sagte zu mir, weil sich ja viele immer Brüsten, die älter sind, mit dem Thema Erfahrung. Deswegen sag ich immer lebenslanges Lernen ist so so wichtig, dass ich immer wieder flexibel bleibe, immer wieder motiviert bleibe und mich um mein Upskilling kümmer: Erfahrung ist nur dann angebracht, wenn es auch relevant ist. Genauso wie Wissen obsolet werden kann, kann auch Erfahrung obsolet werden. Und das dürfen wir nicht vernachlässigen.“
Claudia Huber:
„Also sehr guter Punkt. Wenn wir jetzt noch mal kurz auf die Lehre schauen und ich weiß nicht, ob Sie da eine Idee haben, aber es geht ja auch darum, wenn wir unsere Professor*innen erreicht haben und sie vielleicht auch das Thema Altersdiskriminierung oder Altersstereotype hinterfragen. Was können denn dann Professor*innen tun, um Studierende dabei zu unterstützen, die eigenen Altersstereotype zu hinterfragen?“
Dr. Irène Kilubi:
„Das einfachste ist, als Vorbild zu fungieren. Es fängt ja bei mir selber an, wenn ich jetzt Dozent oder Professor bin, dass ich den Studierenden das Gefühl vermittle, dass ich sie ernst nehme, dass ich sie verstehe. Wir verlernen auch sehr stark, einfach mal zu fragen: Was habt ihr für Erwartungen? Was habt ihr für Bedürfnisse? Ich finde das Thema Erwartungsmanagement kommt viel, viel zu kurz. Die Leute öffnen sich eher, die kommen auch eher untereinander in Kontakt. Oder auch einfach die Frage stellen, was motiviert dich zu lernen? Was brauchst du, um besser lernen zu können und Begeisterung für diese Fachdisziplin zu haben? Das hört sich wirklich wie so ein No-Brainer an, aber das macht keiner. Und das höre ich auch oft, es hat uns ja keiner gefragt. Uns wurde einfach irgendwas vorgesetzt und das müssen wir einfach so machen und tun. Und es ist ja auch für die Dozenten auch ganz spannend zu erfahren, wie sie wahrgenommen werden und nicht erst Bögen abwarten nach irgendwie paar Monaten, also vorher schon aktiv etwas machen. Erwartungsmanagement.“
Claudia Huber:
„Das heißt, einfach durch diese niederschwelligen Fragen, die eigentlich oberflächlich gar nichts mit dem Thema Alter zu tun haben, bekommt man sowas wie Respekt gegenüber denjenigen, die ihre Antworten äußern und erhält dann dafür aber auch einen Einblick in die Menschen, die dann vor einem sind und auch halt einfach ein Verständnis dafür.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, absolut. Ich würde jetzt selber nicht das Thema Altersbilderstereotype jetzt so stark thematisieren. Aber schon alleine, wenn eine Person, sagen wir mal die ist 50 und hat jetzt so 20-jährige vor sich sitzen, aber schon anders mit denen spricht, sich dafür interessiert, wie sie ticken, wie sie denken. Das schwappt ja direkt über. Da braucht man nicht zu thematisieren, „oh, der ist jetzt 40 Jahre älter und ich möchte jetzt euch zeigen, dass ich mich für euch interessiere“. Das muss man ja nicht so direkt sagen, aber das merkt man ja auch. Anders hätte ich geantwortet, wenn Sie mich jetzt gefragt hätten, was kann man gesamthaft so im Hochschulsystem tun. Da würde ich auf jeden Fall sagen immer irgendwie externe Hilfe holen, Bewusstseins-Workshops, Unconscious Bias-Workshops, wo man wirklich auch diese Stereotypen hinterfragt und anspricht … Altersbilder. Aber ein Professor alleine kann das ja jetzt nicht machen.“
Claudia Huber:
„Meine Abschlussfrage wäre, was sind Ihre persönlichen Visionen für eine vielfältige und inklusive Hochschule der Zukunft?“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, jetzt auf das Alter bezogen natürlich, dass das Alter irgendwann mal keine Rolle mehr spielt. Ja, dass man sich wirklich auf diese drei P's Passion-Persönlichkeit-Potential einlässt und den Menschen vor sich sieht und sich wirklich von diesen Stereotypen und Altersbildern befreit und Menschen aufgrund des Alters in gewisse Kategorien steckt. Ich sag dann auch immer, natürlich sind die Studierenden heutzutage anders, aber ich würd das nicht werten in Richtung besser oder schlechter. Gerade wenn man das Beispiel nimmt jetzt: „sie sind faul“. Worauf beziehe ich das?
Was meine ich damit konkret? Wenn ich jetzt sage, sie verlassen sich auf neue Technologien und sind deswegen faul, weil sie nichts mehr eigenständig machen, dann sage ich, hm, das kann man so nicht stehen lassen, weil wir haben diese Technologien, die müssen wir irgendwie nutzen. Wenn man sagt, sie sind nicht mehr motiviert, dann sag ich, dann schauen wir uns mal die Rahmenbedingungen an, woran liegt das? Was können wir aktiv tun, damit sie motivierter sind? Also ich plädiere auch wirklich ganz stark für mehr Empathie, dass man eher nach Lösungen sucht. Und nicht immer die Probleme anschaut und sich auf die Gemeinsamkeit besinnt, die man hat. Weil am Ende des Tages kann mir keiner erzählen, dass ein Studierender heute andere Ansprüche oder Ziele hat, was das Studium anbelangt. Jeder geht genauso wie vor 10, 20 oder 30 Jahren an eine Hochschule, weil er was lernen möchte, einen Abschluss haben möchte und dann später in irgendeiner Form Karriere starten möchte. Und da dürfen wir nicht Äpfel und mit Birnen vergleichen, sondern gucken, welche Rahmenbedingungen haben wir heute, welchen Kontext haben wir, unter denen die jungen Leute heute studieren und gemeinsam Lösungswegen finden, um das Hochschuleben so attraktiv wie möglich für alle Parteien abbilden zu können.“
Claudia Huber:
„Das ist eine sehr schöne Vision und damit bedanke ich mich auch bei Ihnen, Frau Kilubi. Das war ein sehr interessantes und aufschlussreiches Gespräch, vor allen Dingen über das Thema Alter, das, glaube ich, in Hochschulen weniger diskutiert wird, weil man glaubt, vielleicht ein bisschen fern davon zu sein, weil die Stereotypen in manchen Punkten vielleicht ein bisschen umgekehrt sind als in der freien Wirtschaft. Aber genau das wollen wir ja hinterfragen bei uns.“
Dr. Irène Kilubi:
„Ja, sehr gut. Dankeschön.“
Claudia Huber:
„Ich wünsche Ihnen erstmal alles Gute. Danke“
Dr. Irène Kilubi:
„Für Sie auch.“
Paulina Fresow:
„Das war unsere heutige Folge. Wir hoffen, sie hat euch genauso inspiriert wie uns. Was denkt ihr denn darüber? Teilt eure Gedanken und Feedback mit uns. Wir sind gespannt darauf. Schreibt uns gerne einen Kommentar hier auf Spotify. Wenn ihr mehr von uns hören wollt, vergesst nicht, den Podcast zu abonnieren, damit ihr keine Episode verpasst. Erzählt auch gerne euren Freunden und Freundinnen, Kollegen und Kolleginnen, Professoren und Professorinnen von uns. Je mehr, desto besser. Lust auf mehr? Dann kommt zu unserem Afterwork-Event am 3. Dezember 2024 in Stuttgart. Wir reden über Diversity an der DHBW und freuen uns darauf, euch persönlich kennenzulernen. Alle Infos dazu findet ihr in den Shownotes.
Bis zur nächsten Folge, bleibt dran!“