Vielfaltsdimension "Alter" - Im Podcastgespräch mit Dr. Irène Kilubi
In vielen Diskussionen um Diversität und Inklusion an Hochschulen wird der Faktor Alter oft übersehen. In Folge 4 des Podcasts „Selbstverständlich Vielfältig – Vielfalt an der Hochschule leben“ macht Dr. Irène Kilubi in ihrem Interview mit Claudia Huber und Paulina Fresow jedoch deutlich, dass Altersvielfalt auch im akademischen Kontext eine bedeutende Rolle spielt und viel zu selten thematisiert wird. Hören Sie die Folge hier oder lesen Sie die nachfolgende Zusammenfassung, wie Hochschulen altersübergreifende Kooperationen fördern und stereotype Altersbilder überwinden können, um so ein Umfeld zu schaffen, das die Vielfalt in der Dimension Alter schätzt und nutzt.
Über Dr. Irène Kilubi
Irène Kilubi ist promovierte Unternehmerin, Multi-Beirätin und Hochschuldozentin und war für Unternehmen wie BMW, Deloitte und Siemens tätig.
Ihre Erfahrung und Ideen fließen nun in ihre Arbeit zu Themen wie JOINT GENERATIONS (Altersdiversität und Generationenvielfalt) und Corporate Influencer Strategien und Community Building ein.
Sie wurde für ihre Arbeit in Marketing und Diversity mehrfach ausgezeichnet, u.a. als Top 25 Zukunftsmacher*innen Deutschlands vom Business Insider.
Während der Kampagne „Innovationsland Deutschland“ betitelte sie das Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Die Frau, die Changemaker zusammenbringt“.
Altersvielfalt in der Hochschule: Maßnahmen und Erkenntnisse für ein inklusives akademisches Umfeld
1. Altersneutrale Einstellungspraktiken und Karrieremöglichkeiten
Altersneutrale Einstellungspraktiken sind eine wichtige Grundlage für mehr Chancengleichheit an Hochschulen. Während ältere Mitarbeitende oft aufgrund ihres Erfahrungsschatzes geschätzt werden, sehen sich jüngere Akademiker*innen häufig mit Vorurteilen konfrontiert – etwa, dass sie noch nicht genügend Wissen oder Forschungserfahrung mitbringen.
So wie bereits inklusive Stellenausschreibungen gezielt Menschen mit Behinderungen oder weibliche Bewerber ansprechen, könnte man auch explizit eine breitere Altersgruppe ansprechen, um die Bandbreite an Kompetenzen und Erfahrungen zu erweitern.
2. Altersinklusives Lernen und Weiterbildung fördern
Ein inklusives Bildungsumfeld sollte Altersunterschiede als Ressource betrachten. Hochschulen könnten Programme entwickeln, die es älteren Studierenden erleichtern, wieder in den Lernprozess einzutreten. Solche Programme könnten Informationsveranstaltungen beinhalten, die speziell auf die Bedürfnisse von Senior*innen und Menschen, die sich umorientieren wollen, zugeschnitten sind, ihnen den Weg zurück in die akademische Welt ebnen und eventuelle Ängste vor dem Unbekannten abbauen.
3. Reverse Mentoring und Learn-Circles etablieren
Die Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt bietet eine Vielzahl von Vorteilen, und Reverse Mentoring ist hierfür ein ideales Format. Durch Tandems, in denen sich Studierende unterschiedlichen Alters gegenseitig unterstützen, können sowohl ältere als auch jüngere Teilnehmende voneinander lernen und neue Perspektiven gewinnen. Formate wie „Learn-Circles“, in denen Studierende ihre Kenntnisse und Erfahrungen teilen, fördern den gegenseitigen Wissensaustausch und die Teamarbeit.
4. Innovative Methoden zur Zusammenarbeit zwischen Generationen
Kreative und kooperative Methoden wie „Working Out Loud“ – kurz WOL –, Design Thinking und andere Innovationsansätze bieten großes Potenzial zur Förderung generationenübergreifender Teamarbeit. Diese Methoden schaffen eine gemeinsame Grundlage, in der Alter und Erfahrung eine untergeordnete Rolle spielen, da alle Teilnehmenden sich auf ein Ziel und gemeinsame Werte fokussieren. In kreativen Brainstorming-Prozessen beispielsweise können alle Altersgruppen ihre Ideen einbringen und sich aktiv beteiligen, unabhängig vom Alter.
5. Wertedialoge und Generationentraining als Basis für Zusammenarbeit
Die Einführung von Generationentrainings ermöglicht es verschiedenen Altersgruppen, ihre Werte, wie sie diese Werte definieren und Überzeugungen miteinander zu teilen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Im akademischen Kontext können Professor*innen und jüngere Mitarbeitende oder Studierende gemeinsam erarbeiten, welche Werte ihnen wichtig sind, und dabei erkennen, dass Unterschiede oft eher in der Art und Weise bestehen, wie diese Werte erfüllt werden, nicht in den Werten selbst. Diese Dialoge schaffen Raum für gegenseitige Empathie und tragen dazu bei, stereotype Altersbilder aufzubrechen.
6. Altersstereotype hinterfragen und Vertrauen schaffen
Für eine nachhaltige Integration und Sensibilisierung gegenüber Altersvielfalt ist es wichtig, dass stereotype Altersbilder aktiv hinterfragt werden. Workshops und Trainings, die Vorurteile abbauen und eine Atmosphäre schaffen, in der sich jüngere Mitarbeitende und Studierende sicher fühlen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen, sind entscheidend. Professor*innen können dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, indem sie als Vorbilder fungieren, den Austausch fördern und den Studierenden Raum geben, ihre Erwartungen und Bedürfnisse offen zu äußern. Eine solche wertschätzende Haltung kann entscheidend dazu beitragen, Altersdiskriminierung und Adultismus im Hochschulumfeld abzubauen.
7. Die Rolle der Hochschullehrenden als Vorbilder für Altersinklusivität
Professor*innen und Lehrende können als Vorbilder wirken, indem sie die Perspektiven und Erfahrungen jüngerer Generationen aktiv einbeziehen und sich für deren Lernmotivation und Bedürfnisse interessieren. Durch gezielte Fragen – etwa zur Motivation oder zu den Erwartungen – schaffen sie eine niedrigschwellige, respektvolle Kommunikation. So können Studierende unabhängig von ihrem Alter Wertschätzung erfahren und sich ernst genommen fühlen.
Das Alter ist irrelevant – der Fokus sollte auf Passion, Persönlichkeit und Potential liegen
Die Vorstellung einer Hochschule, in der das Alter keine Rolle mehr spielt und stattdessen der Mensch und die 3 P’s Passion, Persönlichkeit und Potential im Mittelpunkt stehen, ist ein zukunftsweisender Ansatz. Altersdiversität sollte nicht nur als Herausforderung, sondern als Chance verstanden werden, das Hochschulumfeld zu bereichern. Nur so kann eine inklusive Lernkultur entstehen, in der Menschen jeglichen Alters ihre Stärken und Erfahrungen einbringen und gemeinsam wachsen können. Hochschulen, die diesen Ansatz verfolgen, werden zu Vorreitern für ein Arbeitsumfeld, in dem Alter irrelevant wird und stattdessen Respekt und gegenseitiges Lernen gefördert werden.