Vielfaltsdimension "Religion und Weltanschauung" mit Dr. Asmaa El Idrissi

Hochschulen spielen eine Schlüsselrolle in der Förderung und Wertschätzung von Diversität und Inklusion. Um den Herausforderungen von Studierenden und Mitarbeitenden aus marginalisierten Gruppen gerecht zu werden, sind strukturelle Anpassungen notwendig. In der Folge zur Vielfaltsdimension „Religion und Weltanschauung“ des Podcasts „Selbstverständlich Vielfältig – Vielfalt an der Hochschule leben“ sprechen Claudia Huber und Paulina Fresow mit Dr. Asmaa El Idrissi über die Rolle der Hochschulen bei der Thematisierung von Religion, Weltanschauung und der Perspektiven marginalisierter Gruppen. Hören Sie hier die Podcastfolge oder lesen Sie hier die Zusammenfassung der Maßnahmen, die Hochschulen ergreifen können, um Diversität zu stärken und Diskriminierung aktiv zu bekämpfen.

Über Dr. Asmaa El Idrissi

Dr. jur. Asmaa El Idrissi ist promovierte Juristin (Schwerpunkt Verfassungs- und Antidiskriminierungsrecht), weitergebildete Diversity Managerin, Change Managerin, Business Trainerin, Coachin und zertifizierte Antidiskriminierungsberaterin. Derzeit leitet sie hauptberuflich das Projekt FATMA bei der mehrfachausgezeichneten SWANS Initiative in Berlin. Nebenberuflich ist Asmaa El Idrissi Dozentin für Managing Diversity an der Hochschule Bochum und freiberufliche DEIB Consultant, Trainerin und Speakerin.

Asmaa El Idrissi verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich Diversity und Anti-Diskriminierung. Sie ist nicht nur Expertin, sondern auch Betroffene von Diskriminierung. Jedoch eine wehrhafte: Sie war Klägerin gegen das Land Hessen wegen Versagung einer vollumfänglichen Jurist*innenausbildung und erreichte durch die Klage sowohl die Abschaffung der internen Regelung einer Schlechterbewertung als auch eine Diskursöffnung insbesondere innerhalb der juristischen Fachwelt. Sie bildete und schulte Fachpersonal im Auftrag des Antidiskriminierungsverbands Deutschlands. 1,5 Jahre leitete sie zudem das hessenweite Antidiskriminierungsberatungsnetzwerk ADIBE Hessen zu Zeiten von Halle, Hanau und der Ermordung von George Floyd. Zuletzt war Asmaa El Idrissi Referentin für Anti-Diskriminierung und Diversität der Stadt Bochum.

Ehrenamtlich engagiert sich Asmaa El Idrissi als Fachbeirätin bei WirfürVielfalt und ist Mitinitiatorin der BIPoC Initiative Eydo.Empowerment.


Diversität an Hochschulen stärken: Maßnahmen für eine gerechte und inklusive akademische Welt

1. Religion und Weltanschauung im akademischen Diskurs verankern

Der Diskurs an Hochschulen sollte Raum bieten für alle Dimensionen von Diversität – einschließlich Religion und Weltanschauung. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist essenziell, um Machtstrukturen kritisch zu hinterfragen und neue Perspektiven von marginalisierten Akademiker*innen in die Gesellschaft einzubringen. Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte, die gezielt Diversitätsdimensionen wie Religion und Weltanschauung thematisieren, fördern das Verständnis und tragen zur Bildung einer ganzheitlichen, innovativen Wissenschaftslandschaft bei.

2. Antidiskriminierungsrichtlinien als Maßstab setzen

Hochschulen sollten spezifische Richtlinien zur Antidiskriminierung aufstellen, die den Diskriminierungsschutz für Studierende und Mitarbeitende eindeutig regeln und klare Bearbeitungswege bei Diskriminierungsfällen definieren. Solche Richtlinien signalisieren, dass Diskriminierung nicht toleriert wird und ermöglichen es Betroffenen, Beschwerdeverfahren sicher und vertraulich zu durchlaufen. Hochschulen können dabei voneinander lernen, indem sie Best-Practice-Beispiele teilen.

3. Pflichtschulungen zu Diversität und Sensibilität implementieren

Sensibilisierungs- und Diversitätsschulungen sollten integraler Bestandteil des Lehrbetriebs sein. Ein struktureller Ansatz könnte darin bestehen, Veranstaltungen zu Themen wie Gender Studies und Antidiskriminierung bereits im ersten Semester als verpflichtende Lehrinhalte für alle Studiengänge einzuführen. Auf diese Weise werden Studierende früh für Diversität und Diskriminierung sensibilisiert, was eine langfristige Kultur der Offenheit und Akzeptanz fördert. Sensibilisierungsangebote für Lehrpersonal tragen dazu bei, dass alle, die an Hochschulen lehren und arbeiten, sich für eine respektvolle und inklusive Zusammenarbeit einsetzen.

4. Diversität in der Hochschullehre und im Personal fördern

Ein divers besetztes Lehr- und Forschungsteam fördert nicht nur die Qualität von Forschung und Lehre, sondern schafft auch eine akademische Kultur, in der sich unterschiedliche Studierende und Mitarbeitende vertreten und akzeptiert fühlen. Hochschulen können sich langfristige Ziele setzen, um den Anteil von BIPoC-Akademiker*innen und Angehörigen anderer marginalisierter Gruppen zu erhöhen. Gezielte Rekrutierungsprogramme für diverse Kandidat*innen und Förderprogramme für Studierende und Doktorand*innen aus marginalisierten Gruppen helfen dabei, die akademische Welt für eine breitere gesellschaftliche Perspektive zu öffnen.

5. Networking und interdisziplinäre Kooperation stärken

Hochschulen sollten verstärkt auf die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, staatlichen Akteuren und anderen Bildungseinrichtungen setzen, um Diversität und Antidiskriminierung strukturell zu verankern. Ein Beispiel hierfür sind Initiativen, bei denen Hochschulen mit Kommunalverwaltungen und Organisationen aus der Gesellschaft kooperieren, um innovative Konzepte zur Förderung von Inklusion zu entwickeln. Solche Netzwerke schaffen wertvolle Synergien und tragen dazu bei, Diversitätsinitiativen und Antidiskriminierungsmaßnahmen nachhaltig umzusetzen.

6. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Bildungsbereich erweitern

Aktuell greift das AGG, das Diskriminierung am Arbeitsplatz verhindern soll, nicht für Studierende, da der Bildungsbereich Ländersache ist. Dies führt dazu, dass Studierende oft weniger rechtlichen Schutz vor Diskriminierung haben als Mitarbeitende. Ein landesweites Antidiskriminierungsgesetz für den Bildungsbereich könnte dies ändern und allen Beteiligten an Hochschulen – sowohl Studierenden als auch Mitarbeitenden – gleichermaßen Schutz bieten. Es ist wichtig, dass auch der Bildungssektor von den Fortschritten des AGG profitiert und die bestehenden Gesetzeslücken geschlossen werden.

Eine Hochschule der Zukunft braucht strukturelle Veränderungen

Eine inklusive und gerechte Hochschullandschaft erfordert eine systematische Neuorientierung, die Diskriminierung aktiv bekämpft und Diversität als Stärke begreift. Dazu gehören klare Antidiskriminierungsrichtlinien, eine offene Lehrkultur und eine gezielte Förderung von Vielfalt unter Lehrenden und Studierenden. Hochschulen, die diese Grundsätze umsetzen, schaffen eine respektvolle und offene akademische Kultur und tragen dazu bei, eine gerechtere Gesellschaft zu fördern.